Dear you,
heute veröffentliche ich für dich meine Reflexion des Auslandsemesters in Klagenfurt, das ich im Februar abgeschlossen habe. Auf der 15 stündigen Zugfahrt aus dem Süden Österreichs zurück in den deutschen Norden, hatte ich ja mehr als genug Zeit zum tippen. Ich richte mich vor allem an diejenigen, die selbst mal eine Zeit, oder sogar ein Semester, im Ausland verbringen wollen. Viel Spaß!
In diesem Moment sitze ich im Zug auf dem Weg zurück nach Hause und schaue zu den Bergen hinauf, die ja eher selten im norddeutschen Landschaftsbild zu finden sind. Vor meinem inneren Auge laufen Bilder eines halben Jahres voller Erfahrungen und Erlebnissen ab. Ich bin mir ziemlich sicher, dass ich mich mein Leben lang an diese Zeit mit dem Gefühl erinnern werde, ganz bewusst eine prägende Phase durchlebt zu haben. Der Aufwand hat sich zweifelsohne gelohnt.
Ich gehe anders
In meinem Auslandssemester habe ich in einer so kurzen Zeit so viele Herausforderungen bewältigen und neue Situationen meistern müssen, dass ich einen warlichen Wachstumsschub gemacht habe. Nicht im physischen Sinne, sondern in meiner Persönlichkeitsentwicklung. Ich habe gemerkt, dass ich mich in schwierigen Situationen (schwierig dadurch, dass sie neu waren), auf mich selbst verlassen kann. Und dadurch durfte ich ein Selbstbewusstsein gewinnen, das mir zukünftig sicherlich noch oft weiterhelfen wird. Ende September letzten Jahres, bin ich mit der Intention losgefahren, aus meinem Alltag auszubrechen. Ich war neugierig darauf Dinge zu erleben, die ich außerhalb meiner Komfortzone niemals erleben könnte. Nicht nur die äußeren, sondern vor allem meine inneren Grenzen habe ich in der darauf folgenden Zeit gelockert und verschoben. Ende Februar, ein halbes Jahr später, fühle ich mich gefestigt und gleichzeitig offen für alles, was in meinem Leben noch so auf mich wartet.
Eigentlich bin ich kein Fernweh-Typ (auch kein Heimweh-Typ). Deshalb musste ich für diese Erfahrungen auch nicht ans andere Ende der Welt reisen. Mir reichte es ein paar Stunden mit dem Zug in eine Gegend zu fahren, in der ich zuvor noch nie war. Unbekannt ist unbekannt, auch wenn das Neue ohne Flugzeug zu erreichen ist. Ein Kulturschock war dennoch irgendwie vorhanden. Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich in einem fremden Land gelebt, nicht nur Urlaub gemacht. Ich war die Ausländerin. Ich war die Fremde aus dem großen weiten Deutschland. Und das hat mich in meiner Identität geprägt.
Musik speichert Momente
Land & Leute
Eine Frage die mir oft begegnet ist, wenn ich von meinem Auslandssemster erzählt habe, lautete: “Und warum kommst du dafür nach Österreich?”. Dazu muss man sich die Mentalität der Kärntner vor Augen halten. Klagenfurt ist zwar eine relativ große Stadt. Sie ist größer als mein Heimatdorf und größer als Lüneburg. Es gibt Kreuzungen und Ampeln (für mich als Dorfkind nicht selbstverständlich!), es gibt Shoppingcenter und Stadtführungen. Aber umgeben ist das ganze von der verlassenen Landschaft der Alpen. Die Menschen können ihren Heidi-Großvater Hintergrund nicht ganz verbergen. Die ländlich geprägte Kultur vermischt sich mit dem Stadtleben auf eine eigenartige Weise. Sei es nun das kaum gegenwärtige Hipsterthema Nachhaltigkeit, oder Modetrends, die in Deutschland doch schon vor ein paar Jahren “in” und dann wieder “out” waren. Selbst in der Stadt gibt es alte Häuser mit Gemüsegärten und Obstbäumen. Und gegrüßt wird man auch, selbst auf der Straße, selbst von völlig fremden Leuten. Ich glaube es ist natürlich, dass man das Neue mit dem vergleicht, was man kennt. In Deutschland jedenfalls bin ich es in 89% der Fälle, die “Hallo” zu entgegenkommenden Spaziergängern sagt.
Vor diesem Hintergrund ist die Frage warum ich für mein Studium ausgerechnet nach Klagenfurt gekommen bin natürlich berechtigt. Einerseits habe ich das immer mit dem Erasmus-Vertrag zwischen den Unis erklärt. Andererseits war es mir auch ganz lieb die Sprache zumindest ansatzweise verstehen zu können. Der Kärntner Dialekt ist nämlich gar nicht mal so hochdeutsch…
Durch das fehlen einer sprachlichen Barriere habe ich dann auch relativ schnell Kontakt zu Leuten aus Klagenfurt gefunden. Auch wenn die Party-Etablissements ziemlich rar waren, habe ich doch so viel gefeiert wie noch nie in meinem Leben. Ich habe gute Freundschaften geschlossen. Und die Erfahrung in einem Studentenwohnheim zu schlafen (oder es zu versuchen), möchte ich auch nicht missen. Soweit habe ich doch einige Klischees über Auslandssemester mitgenommen.
Studentenleben
Natürlich war mein Leben nicht nur von Party geprägt, sondern gerade in der Klausurenphase in erster Linie vom lernen und dem Uni-Alltag an der Alpen-Adria-Universität. Ich konnte aus den meisten Lehrveranstaltungen viele Erkenntnisse ziehen und war mit dem Aufbau ziemlich zufrieden. Aber kennst du dieses Gefühl, wenn man sich im Urlaub denkt: “Hier komme ich eh nie wieder her”? Dieses Gefühl von Freiheit hat mich fast das ganze Auslandssemster über begleitet. Vielleicht bin ich deswegen auch zum ersten Mal durch eine Prüfung gerasselt… Upsi.
Quelle: City Journal Klagenfurt
Den Berg bezwingen
Ich erinnere mich natürlich auch an mehr als genug Probleme die ich in meinem Auslandssemster hatte. Im Detail will ich dir jetzt nicht darlegen, wie ich in den ersten Wochen mit gefühlt fünf Kleidungsstücken haushalten musste, weil mein Paket nicht rechtzeitig geliefert wurde. Oder wie ich Ewigkeiten keine Kohle hatte, weil mein Konto in Österreich doch nicht zugänglich war. Oder wie mein Fahrrad erst am Tag vor meinem Auszug viel zu spät vom Gepäckservice abgeholt wurde. Das sind alles Dinge, die du in deiner spezifischen Weise für dein Auslandssemester erleben wirst und die sich auch nicht vermeiden lassen. Das müssen sie aber auch nicht, schließlich gehören sie dazu wenn man wachsen will. Den Zug habe ich auf der Hinfahrt übrigens auch beinahe verpasst.
Ok, genug davon. Das hier soll dich schließlich ermutigen und nicht abschrecken. Jetzt bin ich gleich schon in Nürnberg und muss umsteigen. Die Gegend wird langsam flacher, die Berge liegen hinter mir. Oder ich bin übern Berg, wie du möchtest. Deshalb schließe ich an dieser Stelle. Ich wünsche dir viel Spaß bei deinem eigenen Auslandssemester und mindestens so viel Freiheit, Spaß und Wachstum, wie ich es hatte.
Love, Julia
Meine Zwischenbilanz im Auslandssemester: https://postvonjulia.de/wie-ist-es-in-oesterreich
Meine Erwartungen bevor es losging: https://postvonjulia.de/es-geht-ins-ausland
Jahresrückblick auf 2018: https://postvonjulia.de/2018-was-ist-wahr-geworden
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